Im Gigapixel-Rausch

In Gigapixel-Welten kann man vom Stadtpanorama bis zum Weißen im Auge eines Passanten heranzoomen. Die Forschungsabteilungen bei Adobe und Microsoft arbeiten an Lösungen, solche Bildmassen ohne Festplattengeratter auf den Schirm zu bringen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 15 Min.
Inhaltsverzeichnis

Aktuelle Digitalkameras lösen im Schnitt 12 Megapixel auf. Vor vier Jahren waren es halb so viele, in vier Jahren könnte sich deren Zahl abermals verdoppeln. Auch wenn das schon nach viel klingt, geht das technisch Machbare weit darüber hinaus. Chips, die die den Nachthimmel fotografieren sollen, wie der CCD-Sensor des kanadischen Halbleiterproduzenten Dalsa, lösen 100 Megapixel und mehr auf. Forscher an der University of Alabama entwickelten zusammen mit Sony eine Gigapixel-Kamera, die für Virtual Earth und Google Earth die Erde fotografieren soll. Enthusiasten versuchen einander mit gigantischen Panoramen im Gigapixel- Bereich zu übertreffen. Übliche Bildbetrachter gehen beim Versuch, Derartiges zu öffnen, in die Knie.

Adobe nähert sich dem Gigapixel-Phänomen, damit zukünftige Versionen von Photoshop die großformatigen Bilder blitzschnell anzeigen können. Die aktuelle Version von Photoshop kann zwar bereits theoretisch Bilder in einer Auflösung von 90 Gigapixel darstellen, würde sich daran aber mangels Arbeitsspeicher kräftig verschlucken. Ein von Adobes Forschungsabteilung entwickelter Viewer nebst eigenem Dateiformat beschleunigt die Anzeige solcher Fotos drastisch. Er zeigt Fotos des Projekts Gigapxl.org an. Die Betreiber der Webseite, Graham Flint und Catherine Aves, bauten eine analoge Fotokamera um, die ursprünglich in einem amerikanischen Spionageflugzeug des Modells U2 Fotos aus 20.000 Metern Höhe auf Film in der Größe von 9 × 18 Zoll (etwa 23 × 46 cm) bannte.

Nach einem hochauflösenden Scan präsentiert das Team Ausschnitte der Fotos amerikanischer Städte oder des UNESCO-Weltkulturerbes in einer Auflösung von vier Gigapixeln auf seiner Webseite. Der Adobe-Viewer weist bei einem Panorama der Stadt Boston unprätentiös auf dessen Ausmaße hin: 79.079 × 50.066 Pixel – beinahe vier Gigapixel. Adobes Vice President Interactive Design Dave Story zoomte im Gespräch mit c’t auf seinem Laptop mühelos zum Führerhaus eines Krans, der im Gesamtpanorama gar nicht weiter auffiel und bemerkt: „Ich wusste gar nicht, dass die Dinger Scheibenwischer haben.“

Der Betrachter bemerkt beim Hinein- und Hinauszoomen kein Ruckeln, obwohl die Dateigröße von 12 GByte das Volumen des Arbeitsspeichers um ein Vielfaches übersteigt. Des Rätsels Lösung ist eine Pixelpyramide, die das Vollbild relativ gering aufgelöst zeigt, und jede weitere Ebene in vierfacher Auflösung vorhält, bis die volle Detailtiefe erreicht ist. Der Viewer lädt jeweils nur die Kacheln, die zur Anzeige der nächsten Bildportion nötig ist. „Er antizipiert die vom Nutzer beschriebene Bewegung und lädt automatisch die benötigten Bildkacheln in den Cache“, erklärt Dave Story. Ist dieser voll, verwirft der Viewer Kacheln aus den am weitesten entfernten Ebenen der Pyramide. Ein Schema der Bildpyramide nebst farbiger Markierung für im Arbeitsspeicher befindliche Kacheln blendet er auf Wunsch ein.

Photoshop verwendet bereits ein ähnliches Modell zur Aktualisierung von Bilddaten. Unter Bearbeiten/Voreinstellungen/Arbeitsspeicher & Bildcache informiert Photoshop, dass es Bildpyramiden aus sechs Ebenen zusammensetzt. Für die Öffentlichkeit ist der Adobe-Viewer nicht verfügbar. Es gibt aber kostenlose und frei verfügbare Alternativen zur Anzeige der Gigapxl-Bilder.

Google Earth zeigt ab Version 4.2 die Fotos des Gigapxl-Projekts an, wenn man die Ebene Galerie/ Gigapxl Fotos hinzuschaltet. Es nutzt zur Anzeige von Bilddaten ebenfalls Kacheln und eine Pyramide mit verschiedenen Auflösungsstufen. Die Fotos erscheinen als schwebende Leinwand beispielsweise vor der Golden-Gate-Brücke oder dem Palace of Fine Arts in San Francisco. Einmal hineingefahren kann man die Gigapixel-Welten in gewohnter Google-Earth-Manier erforschen.