Fernsehen für Sehbehinderte

Mit Hilfe eines neuen Algorithmus lässt sich die Qualität von TV-Bildern derart verbessern, dass selbst Menschen mit einer Makuladegeneration gut zusehen können

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Von
  • Brittany Sauser

Fernsehen für Sehbehinderte (3 Bilder)

Auf der linken Seite ist das unbearbeitete Bild zu sehen, auf der rechten das verbesserte Bild. (Bild: Bild: Schepen Eye Research)

Menschen mit einer fortgeschrittenen Makuladegeneration haben am abendlichen TV-Programm normalerweise nur wenig Freude – das Bild wirkt in den Bereichen, in denen sie noch genügend Sehkraft haben, verschwommen und verzerrt. Die kleineren Details gehen dazu noch verloren. Forscher am Schepens Eye Research Institute der Harvard Medical School haben nun eine Software entwickelt, die den Kontrast des TV-Bildes so verändert, dass auch Zuschauer mit solchen Sehbehinderungen deutlich mehr erkennen: "Unser Ansatz war, den Empfangsdekoder des Fernsehers mit einem Bildverarbeitungsalgorithmus aufzuwerten", sagt Eli Peli, Professor für Augenheilkunde und Leiter des Projektes. Die Technologie erlaube es nun, bestimmte Details aufzuwerten.

Pelis Forscherteam konzentrierte sich dabei auf Patienten mit altersbedingter Makuladegeneration, einer Erkrankung, bei der die Makula, der Teil des Auges, der für scharfes Sehen in der Bildmitte verantwortlich ist, beschädigt wird. Laut der US-Stiftung "American Macular Degeneration Foundation" leiden allein in Amerika zehn Millionen Menschen daran. Betroffene müssen mit einem "blinden Fleck" in ihrem Sehfeld zurechtkommen. Auch das restliche Augenlicht ist oft beeinträchtigt und verschwommen. Fernsehen oder das Lesen einer Zeitung sind so oft unmöglich, sagt Mark O'Donoghue, klinischer Direktor an der "Commonwealth Avenue Clinic" des New England College of Optometry. Die Arbeit von Peli nennt er deshalb "neu und faszinierend". Die Grundlagen der Technologie und die Nutzung der noch verfügbaren Sehkraft Betroffener seien "innovativ". Das Forscherteam hat seine Idee zunächst in eine Prototyp-Software gepackt, die auf einem normalen Rechner läuft. Im April 2008 soll jedoch auch eine "in Hardware gegossene" Version vom Hersteller Analog Devices in das Labor kommen.

Bei ihrer Arbeit fanden Peli und sein Team unter anderem heraus, dass Menschen mit Makuladegeneration hohe räumliche Frequenzen nicht oder nur schlecht wahrnehmen können – die Aufnahmefähigkeit für feine Details deutlich reduziert. Um das Bild für die Patienten zu verbessern, schufen die Wissenschaftler deshalb einen Algorithmus, der den Kontrast speziell auf den räumlichen Frequenzen erhöht, die die Patienten noch sehen können – mittlere und niedrige. Im Endergebnis werden so auch feine Details stärker herausarbeitet.

Das Bild lässt sich vom Nutzer aber auch nachträglich über die Fernbedienung anpassen, ähnlich wie man dies von der Lautstärke kennt. Das System arbeite wie ein Equalizer einer Hifi-Anlage – nur eben für die Augen. Zuschauer könnten so ihren Bildschirm genau einstellen.

Um die Stärke der benötigten Bildaufwertung zu messen, führten Peli und sein Team eine Studie mit 24 sehbehinderten und sechs normalsichtigen Personen durch. Die Tester saßen hierzu vor dem Fernseher und schauten sich jeweils vier Minuten lange Filmausschnitte an, während sie den Kontrast mit der Fernbedienung bestimmen konnten. Dabei kam heraus, dass selbst Personen mit gutem Augenlicht die Bildoptimierung als positiv ansahen. Die Mehrzahl entschied sich außerdem für die gleiche Kontrastverstärkung – egal ob bei dunklen Szenen oder schnellen Bewegungen. Insgesamt korrelierte die notwendige Kontrastverstärkung aber mit der Schwere des Augenleidens.

Tom O'Donnell, Dozent am "Hamilton Eye Institute" der University of Tennessee, glaubt, dass Pelis System eines Tages auch noch ganz andere Dienste leisten könnte – etwa die Möglichkeit, bestimmte Bildbereiche und Objekte besonders klar herauszustellen, was den Zuseher stärker einbinden könnte.

Peli selbst würde es schon reichen, wenn seine Technologie bald in möglichst vielen Fernsehgeräten eingebaut würde. Die Option könnte dann bei Sehbehinderten einen ähnlichen Status haben wie Untertitel für Gehörlose. (bsc)